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Ioannes Costaeus/ Giovanni Costeo, Italien

Von der Milch und der Molke Natur und Verwendung in der Medizin

  Außentitel

  Zu dieser Ausgabe (C.-L. Riedel, R. Belke-Grobe)

  Einführung von Dr. Siegfried Kratzsch

  Zum Geleit von Dr. D. Hansen

  Vorwort von Professor Irma Naso, Universität Turin

  Innentitel

  Buchbesprechung von Prof. Dr. Dr. Eckhard Schlimme, Einbeck / Kiel

  Kurzlebenslauf von Ioannes Costaeus

  Bilderübersicht

Von der Milch und der Molke Natur und Verwendung in der Medizin; Bild: Schauteller mit Meiereimädchen von 1741 aus Schleswig; Links: Englische Lithographie: Buy my Curds and Whey - Kaufen Sie meinen Quark und meine Molke

Zu dieser Ausgabe (C.-L. Riedel, R. Belke-Grobe)

Die Beschäftigung mit der Geschichte der Milchwirtschaft führt unweigerlich zu einer Vielzahl bisher unübersetzter, meist in Latein vorliegender Texte. Diese wurden z. T. in den letzten Jahren sowohl in Italienisch als auch in Deutsch herausgegeben, da sie nicht nur für die Geschichte der Milch, sondern auch für die Medizingeschichte von großem Interesse sind.

Nach den Übersetzungen von 1996 (Conrad Gesner, Libellus de lacte, Zürich 1541) und 2002 (Pantaleone da Confienza, Summa lacticiniorum, Turin 1477) erscheint hiermit ein weiteres Werk von 1595, das es nur noch in wenigen Exemplaren (u. a. Turin und München) gibt.

Ioannes Costaeus' Werk liegt nach einer ins Italienische übersetzten Ausgabe (Parmalat, Turin 2001; Herausgeber Massimo Montanari) nunmehr auch in deutscher übersetzung vor, die wiederum Herr Dr. Siegfried Kratzsch in bekannter Qualität vorlegte und durch vielfältige Anmerkungen ergänzte. Er übersetzte ebenfalls das Vorwort von Frau Prof. Irma Naso aus der italienischen Ausgabe von 2001. Frau Prof. Naso sei für die Genehmigung des Nachdrucks herzlich gedankt.

Es ist den Herausgebern wiederum eine angenehme Pflicht, einer Vielzahl von Sponsoren für die Übersetzung zu danken, die vor allem aus der rheinischen, rheinland-pfälzischen und westfälischen Molkereiwirtschaft stammen. Die Herausgabe des vorliegenden Werkes der im Jahre 2003 begründeten Kleinen Reihe "Beiträge zur Milchwirtschaft" ergänzt die bisher erschienen Bände als neuer Band 1 einer Großen Reihe.

Bisher sind in der Kleinen Reihe erschienen:

Der am 21. Oktober 1998 gegründete Verein "Milch und Kultur Rheinland und Westfalen e. V." hat sich als Ziel den Aufbau eines (deutschen) Milchmuseums gesetzt und wirbt mit den o. g. Reihen für die Verwirklichung dieses Ziels in naher Zukunft.

Weitere Bände sich in beiden Reihen geplant. So die Herausgabe des Johannes-Petrus Lotichius "Neuer ärztlich-philologischer Traktat über die Wertlosigkeit des Käses" (Frankfurt am Main 1643), der Werke von Martin Schoock "Traktat von der Butter" sowie "Traktat von der Abneigung gegen den Käse" (Groningen 1664), von Briefen des Jacobus Bifrons (Jachem Bifrun) bzw. des H. Dettling an Conrad Gesner mit milchwirtschaftlich interessanten Auszügen aus der "Ars Magirica" (Die Kochkunst) des Jodocus Willichius (Zürich 1563) als erhaltene Kommentare zum Gesner von 1541 sowie die "Bewundernswerten Thesen über das staunenswerte Lob des Käses" von Bartholomäus Bolla (Paris 1606).

Dem vorliegendem Buch ist ein weitgefächertes Sachwortverzeichnis beigegeben, um dem Leser das schnelle Auffinden interessanter Details zu erleichtern.

Möge dieses Buch, das 1604 in 2. Auflage in Pavia unter dem Titel "De Facili Medicina. Per Seri, & Lactis usum, Libri tres" erschien und von dem noch ein Exemplar in der Universitätsbibliothek München erhalten ist, unter Interessierten im Berufsstand und darüber hinaus Verbreitung finden!

Dr. Carl-Ludwig Riedel    Rötger Belke-Grobe

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Einführung von Dr. Siegfried Kratzsch

Die hier nach der lateinischen Erstausgabe zum ersten Mal in deutscher Übersetzung erscheinende Schrift De lactis serique, et in medicina usu von Giovanni Costeo (Joannes Costaeus) wurde zuerst vom Verfasser 1595 bei loannes Rossius in Bologna, wo Costeo Medizinprofessor war, herausgegeben. Eine italienische Übersetzung von Francesca Donati mit Anmerkungen von Stefano Arieti und einer Einleitung von Irma Naso erschien 2001, von Massimo Montanari herausgegeben, in Turin bei Umberto Allemandi & C.

Die Erstausgabe hat Quartformat und 121 gezählte Seiten mit maximal 37 Zeilen, die in vier gleiche Abschnitte (A, B, C, D) eingeteilt sind. Wenn die Seite Buch- oder Kapitelüberschriften enthält, vermindert sich natürlich die Zeilenzahl durch das größere Buchstabenformat und die Leerzeile über und unter der Überschrift. Vor diesen gezählten Seiten stehen die ungezählten Seiten des Titelblatts, der Widmung an Hieronymus Mercurialis, drei ungezählte Seiten, die die Kapitelüberschriften der einzelnen "Bücher", aus denen die Schrift besteht, angeben, und sechs ungezählte Seiten mit den "bemerkenswerten Dingen" in alphabetischer Reihenfolge und mit Angabe der Seiten und Abschnitte der Seiten.

Nach dem Tode des Autors, 1604, gab sein Sohn, Ioannes Franciscus Costaeus, Doktor der Philosophie und beider Rechte, der damals in Pavia Zivilrecht lehrte, die Schrift unter dem Titel De facili medicina per seri, et lactis, usum, libri tres in Pavia bei Petrus Bartolus heraus. Abgesehen von der neuen Titelseite und der neuen dreiseitigen Widmung an den Senator  D. Marius Conradus in Lodi durch den Herausgeber ist diese Ausgabe eine format-, seiten-, zeilen-, wort-, und buchstabengetreue Wiedergabe der Erstausgabe. Auch die sechs Druckfehlerverbesserungen sind wörtlich übernommen. Offenbar sind nur die genannten neuen Teile neu gesetzt worden.

Die Schrift ist eine im wesentlichen gelehrte Arbeit. Costeo gibt in dieser seiner Schrift das universitäre medizinische Wissen seiner Zeit zum Thema wider. Eigene praktische Erfahrungen werden kaum erwähnt.

Die theoretische Grundlage bieten die medizinischen und sonstigen Autoritäten des griechischen und römischen Altertums  (Aetius, Alexander Aphrodisiensis, Aretaeus, Aristoteles, Athenaeus, Celsus Dioscurides, Galenus, Marcellus Empiricus, Oribasius, Palladius, Paulus Aegineta, der ältere Plinius, Varro, besonders aber das Corpus Hippocraticum, aber auch ihre mittelalterischen Schüler, arabischer (Avicenna, Rhazes) und lateinischer Sprache (Mesu? Junior). Alle diese Quellen sind Casteo lateinisch zugänglich und werden von ihm lateinisch zitiert, in den ersten beiden Büchern mit genauer Stellenangabe.
Doch zeigt die Besprechung einiger griechischer Quellen, dass er auch griechische Originale lesen und verstehen konnte. Die Sprache der Schrift ist das humanistische Latein ihrer Entstehungszeit.

Die Schrift ist in drei Bücher aufgeteilt, die jeweils de lactis natura atque usu generatim (13 Kapitel), de seri natura atque usu generatim (10 Kapitel) und de lactis et seri in variarum corporis partium vitiis, usu, ex veteribus (63 Kapitel) überschrieben sind.

Die Kapitel des dritten Buches sind in der Regel folgendermaßen aufgebaut: Einem ausführlichen Autoritätenzitat aus dem Corpus Hippocraticum folgen Probleme, die sich aus diesem Zitat ergeben. Anschließend werden diese aufgelöst. Dem ersten Buch geht eine kurze Praefatio voraus, dem dritten folgt eine kurze Excusatio.

Siegfried Kratzsch, Halle/Saale

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Zum Geleit von Dr. D. Hansen

Mit der Entwicklung von Verfahren zur Lagerung und Konservierung der Nahrungsmittel konnten die Menschen sesshaft werden. Damit war eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung der Zivilisation bis zum heutigen Tage erfüllt. Auch die Milchwirtschaft leistete dazu ihren Beitrag. Der Interessierte wird in diesem Zusammenhang auf die verfügbaren Titel „Studien zur Kulturgeschichte des Milchentzuges“ von D. Parau, Kempten 1975, „Unvollständige Geschichte der Milchwirtschaft“ von C.-L. Riedel und M. Kroger, Köln 2004 und „Milchstraße. Auf der Wanderung durch die Kulturgeschichte der Milch“ von H.-P. Mielke, Köln 2005 verwiesen.

Zeugnisse zur Entwicklung der Milchwirtschaft reichen weit in die Geschichte zurück. Nach derzeitiger Kenntnis zählt der Tempelfries von El Obeid im heutigen Irak, dessen Entstehung etwa auf das Jahr 3100 v. Chr. datiert wird, zu den ältesten Belegen für die Gewinnung und Verarbeitung von Milch. Veröffentlichungen in der milchwirtschaftlichen Fachpresse zur Entdeckung dieses Frieses sprechen von der Darstellung einer „Tempelmeierei“, in der von wenigen Menschen Gewinnung und Verarbeitung der Milch durchgeführt werden.

Den relativ großen Umfang der Herstellung von Milchprodukten zeigt die Gesetzgebung der Hethiter in indirekter Form auf. Im Straf- und Zivilrecht des Hethiter-Reiches, verkündet im Jahre 1463 v. Chr., findet sich auch eine Preistafel für Haustiere, Fleisch, Felle, landwirtschaftliche Produkte, Land, Gewänder und Kleidung sowie Metalle. Milchwirtschaftlich interessant sind Preisangaben für Schafe, Ziegen, Kühe, Ochsen , Stiere, Butter und Käse. Diese Angaben setzen einen Umfang der Viehbestände voraus, der solche Regelungen sinnvoll und notwendig werden lässt. Aus dieser Zeit überlieferte Fragmente von Archiven der „Finanzverwaltungen“ in Form von zum Beispiel Landschenkungsurkunden teilen die Inventare von Landgütern und Höfen mit und bestätigen einen Umfang der Viehbestände, der eine wirtschaftliche Nutzung über den Eigenbedarf hinaus möglich erscheinen lässt. Aus der Angabe von Preisen für die Milchprodukte Butter und Käse folgt eine weite Verbreitung der Herstellung dieser Produkte. Während für Butter ein Preis je Gewichtseinheit angegeben ist, gilt für Käse ein Stückpreis. Das wiederum lässt auf eine gewisse Standardisierung von Form, Größe und damit Gewicht der Käse schließen.

Zur Nutzung von Milch und Milchprodukten für die menschliche Ernährung und zu deren Wertschätzung durch die Konsumenten gibt es zahlreiche Belege. „Das Gelehrtenmahl“ des Athenaios von Naukratis enthält eine Vielzahl von Zitaten antiker Autoren zum Gegenstand. In dem Bestreben, die Natur zu erkennen und zu systematisieren, befassen sich Philosophen und Mediziner mit den Eigenschaften und Wirkungen der Milch. Stellvertretend seien hier Aristoteles und Hippokrates genannt. über die Nutzung von Milch bei den verschiedenen Völkern schließlich finden sich Belege bei Historikern und Geographen, wie Herodot, Strabo, Tacitus und anderen.

Es ist aber wohl der ständigen Erweiterung der Arbeitsteilung und in Verbindung damit der Wertschätzung einzelner Tätigkeiten zu danken, dass Beschreibungen der Herstellung von Milchprodukten sehr selten sind. Auch hier übernimmt die Literatur eine Mittlerrolle und so findet sich in der Odyssee im neunten Gesang die Beschreibung der Käsebereitung. Homer lässt den Kyklopen Polyphemos diese Arbeit verrichten. Diese Darstellung gründet sich wohl auf eigene Kenntnisse und Erfahrungen des Autors über den Arbeitsalltag der Hirten.

Die römischen Autoren Cato (d.ä.), Columella, Varro und Palladius beschreiben die Herstellung von Käse und Sauermilchprodukten und geben Hinweise über die damals bekannten Gerinnungsmittel für Milch und deren Verwendung.

Erst die Erfindung des Buchdruckes macht eine Verbreitung der Kenntnisse der Antike möglich. Vor allem die sogenannte Hausväterliteratur trägt zur Verbreitung und Anwendung landwirtschaftlicher Erfahrungen und Kenntnisse bei. Als bedeutende Vertreter dieser Literatur in Deutschland sind Konrad von Heresbach, Johann Colerus und Wolf Helmhardt von Hohberg zu nennen. Insbesondere Johann Colerus bemüht sich erfolgreich, die Kenntnisse der Alten mit den konkreten landwirtschaftlichen Gegebenheiten in Brandenburg, Mecklenburg, Kursachsen und Schlesien zu vergleichen und so zu entwickeln. Die Hausväterliteratur wurde hauptsächlich vom landgutbesitzenden Adel, von Verwaltern (Meier, Vorwerksmänner, Vögte) und Pfarrern gelesen. Schwerpunkt der Darstellungen waren die Organisation des Arbeitsablaufes auf einem Gut im Jahreslauf. Für den Gutsverwalter oder Amtmann, die Hausfrau, die Knechte und Mägde gibt es detaillierte Tätigkeitsbeschreibungen. Die in den einzelnen Monaten des Jahres zu verrichtenden Arbeiten werden genannt. Aussaat- und Erntetermine nach dem Lauf der Gestirne werden angegeben. Zur Gewinnung und Herstellung von Milch und Milchprodukten, ihrer Anwendung und Lagerung gibt es erstmals Handlungs-anleitungen, die, wenn auch nur in geringem Umfang, Aussagen zu Ernährung, Hygiene, Medizin u.a. enthalten. Das betrifft u.a. den Gebrauch bestimmter Nahrungsmittel, die Häufigkeit des ehelichen Verkehrs, das Ansetzen von Schröpfköpfen und andere praktische Erfahrungen. Dabei werden z. B. die „Milchbücher“ von Pantaleone da Confienza, Conrad Gesner und anderen Autoren weder erwähnt noch zitiert.

Dieser Parallelentwicklung der Kenntnisse über die Milch auf den Gebieten Philosophie, Medizin, Ernährung usw. einerseits und Landwirtschaft andererseits ist es wohl geschuldet, dass das Buch des Giovanni Costeo „Von der Milch und der Molke Natur und Verwendung in der Medizin“, erschienen im Jahre 1595 in Bologna, von den „milchwirtschaftlichen“ Autoren nicht zur Kenntnis genommen wurde.

Demgegenüber haben sich ärzte und Ernährungswissenschaftler mit Costeo’s Buch beschäftigt. Bei Elsholtz findet man im „Diaeteticon: Das ist/ Newes Tisch-Buch / Oder Unterricht von Erhaltung guter Gesundheit durch eine ordentliche Diät / und insonderheit durch rechtmäßigen Gebrauch der Speisen / und des Geträncks ...“, Cölln an der Spree 1682, im 4. Kapitel des zweiten Buches Angaben über die Autoren, die nach Galenus über die Eigenschaften der Milch geschrieben haben. Elsholtz nennt von den neueren Autoren an erster Stelle Costeo.

Als Beispiel mit späterer praktischer Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse sei hier Friedrich Hoffmann’s Arbeit „Gründliche Unterweisung wie ein Mensch durch vernünftigen Gebrauch verschiedener mineralischen Wässer, der Esels-Milch und Molcken, desgleichen der mit Milch vermischten Sauer-Brunnen seine Gesundheit erhalten und sich von schweren Kranckheiten befreyen könne“ genannt. Die Arbeit erschien 1727 in Halle und hatte eine weite Verbreitung im deutschen und englischen Sprachraum. Diese und andere Arbeiten waren die Grundlage für die Gründung zahlreicher Milch- und Molkenkuranstalten in Deutschland. Aber das ist ein anderes Thema, dessen Bearbeitung von Herrn Dr. C.-L. Riedel, Krefeld, bereits in Angriff genommen wurde.

Das Buch des Giovanni Costeo schafft im Jahre 1595 Grundlagen für eine Entwicklung, die in der Gegenwart hochaktuell ist und zum Ziel hat, die gesundheitsfördernden Eigenschaften bestimmter Lebensmittelbestandteile für die Entwicklung neuer Produkte mit definierten Einsatzzwecken zu nutzen. Jeder mit diesen Fragen befasste Fachkollege findet hier die Zusammenfassung der Gedankenführung der Mediziner von Hippokrates bis Costeo zum Gegenstand. Für die an der Geschichte der Milchwirtschaft Interessierten beantwortet der Costeo zahlreiche Fragen und ergänzt unsere Kenntnisse zu diesem Gebiet nachhaltig.
In diesem Sinne sei der Arbeit des Giovanni Costeo eine freundliche Aufnahme gewünscht.

Dr. Dieter Hansen, Oranienburg

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Vorwort von Professor Irma Naso, Universität Turin

Die antike und mittelalterliche Medizin, von Hippokrates bis Galen bis zu den großen Denkern der arabischen Welt, betrachtete die Milch als eine sehr komplexe und schwer klassifizierbare Substanz nach dem Interpretationsmodell galenischen Ursprungs, das jedem natürlichen Element seine spezifische Qualität zuschrieb: Kalt, Feucht, Warm, Trocken. Diese weiße Flüssigkeit, die die medizinische Wissenschaft der Zeit definierte als eine "Überflüssigkeit" des Organismus, verursacht durch den Prozess des "Bleichens" des Blutes in den Brüsten, zeigte homogene Eigenschaften nur im äußeren, während den Augen des Arztes sein Wesen sich als ziemlich veränderlich und in Wirklichkeit niemals sich selbst gleich zeigte. Gekocht oder roh, mehr oder weniger fern vom Augenblick der Geburt entnommen, voll oder entrahmt, zeigte sich ihre Qualität von Mal zu Mal verschieden und modifizierte sich im Gefolge der Vermischung mit anderen Elementen, wie Honig, Zucker, Salz. Wie Aristoteles in seinen Traktaten über Zoologie gelehrt hatte, erfuhr die Natur der Milch ebenso bedeutende Veränderungen auch in Beziehung zur Ernährung der Tiere, die sie hervorbrachten, zu ihrem Alter und ihrer Verfassung, zu den klimatischen, jahreszeitlichen und Umwelt-Bedingungen, in denen sie lebten, und sogar in Beziehung zur Farbe ihres Fells. Noch wichtiger war jedoch die Tierart, von der die Milch ihren Ursprung hatte, wie die gegliederte Klassifikation zeigt, und die mittelalterlichen medizinischen Texte davon berichten, in welchen – von den Werken des großen stagiritischen Philosophen an – nach und nach zusammengeflossene Nachrichten waren, die von verschiedenen Kulturen herkamen. Unter dem pharmakologischen Profil kam der Primat ohne weiteres der Frauenmilch zu, aber sei sie vom Schaf oder von der Ziege, von der Kuh oder von der Stute, von der Eselin, von der Büffelkuh oder vom weiblichen Kamel, wenn nicht sogar vom Schwein, vom Hund oder vom Hasen, jede Milch besaß ihre eigenen Besonderheiten, die sie mehr oder weniger geeignet machten, in die Ernährungsgewohnheiten eingereiht oder als Heilmittel verwendet zu werden.

Seit jeher hatte die Rolle der Milch als Nahrungsmittel die ärzte ziemlich am Rande interessiert, die grundsätzlich, indem sie ihr immerhin in der Gesamtheit eine hohe Nährkraft einräumten, nicht ein gewisses Misstrauen im Zusammenhang mit ihr verbargen und von ihrem Konsum außerhalb des Kindesalters abrieten. Im allgemeinen behielt die Diätetik, wesentlicher Zweig der Medizin, sie als Speise, die höchstens für vollkommen gesunde Individuen geeignet war, in jedem Falle mit Maß und immer mit äußerster Vorsicht zu verzehren, vor allem während der warmen Jahreszeit, da es sich um eine leicht verderbliche Materie handle.

In der medizinischen Tradition war die Milch mehr als anderes (vor allem) als ein Medikament betrachtet worden. Unter ihren spezifischen therapeutischen Eigenschaften hoben die Forscher im allgemeinen die hervor, der Brust und den Lungen zum Nutzen zu gereichen, das Kolorit der Fleischfarbe wiederzubeleben und dick werden zu lassen. Es fehlte aber nicht an einem, der ihr sogar aphrodisische Kräfte zuschrieb. Einige Autoren erkannten an einigen ihrer Sorten die Kraft, die Verschlüsse der Leber lösen, den Darm zu schmieren und als Gegenmittel gegen die Gifte zu fungieren oder noch viele andere Krankheiten zu lösen.

Zahlreich waren im Laufe der Jahrhunderte die mehr oder weniger isolierten und manchmal zweideutigen medizinischen Urteile über die Verwendung der Milch mit diätetischer und genauer kurativer Zielsetzung, und auch über den Konsum der Milchprodukte gewesen. Dennoch hatte bis zum vorgerückten XV. Jahrhundert nie ein Autor in organischer und systematischer Weise sich diesem so kontroversen Thema gestellt. Der erste, der sich dafür interessierte, indem er dem Gegenstand eine Monographie widmete, war der Arzt aus Vercelli Pantaleone da Confienza, welcher, mit der berühmten Summa lacticiniorum, die 1477 in Turin veröffentlicht wurde, eine Richtung der medizinisch-philosophischen Studien eröffnete, die mindestens bis zum XVIII. Jahrhundert einige Liebhaber finden wird. Wenn der Traktat über die Milchprodukte als ein Werk auf halbem Wege zwischen dem wissenschaftlichen Text und dem literarischen divertissement betrachtet werden kann, besonders aufmerksam auf die diätetischen Aspekte und auf eine neue Wertung der Milch und ihrer Derivate orientiert, wird es vom XVI. Jahrhundert an vor allem der genaue therapeutische Diskurs sein, der im universitären Bereich entwickelt wird.

1535 ließ der Universitätsprofessor Girolamo Accoramboni aus Gubbio in Venedig einen Tractatus de lacte in Druck gehen, in welchem er den praktischen Nutzen dieses Elements zeigt, insbesondere bei der Behandlung einiger Fieberformen, aufgrund des Zeugnisses überzeugender persönlicher Erfahrungen. Einige Jahrzehnte später hat man mit dem Werk, das die Parmalat wiederentdeckt hat, De lactis, serique natura, et in medicina usu, schließlich ein Kompendium, das, außer dass es sich – mit dem ersten und mit dem zweiten Buch – in die unterbrochene Debatte über die Qualitäten der Milch und der Molke einreiht, die enormen therapeutischen Möglichkeiten dieser Substanzen ins Licht setzt: Schon von den ärzten des Altertums gepriesen, waren ihre Heilkräfte – wie derselbe Autor behauptet – in der Folge unterschätzt worden und die scholastische Medizin hatte sie geradezu ignoriert.

Giovanni Costeo war, nachdem er ordentlicher Professor der praktischen Medizin an der Universität von Turin und persönlicher Arzt des Herzogs Emanuel Philibert von Savoyen gewesen war, an die Universität von Bologna übergesiedelt: Hier bereicherte er 1595, bereits nahe dem Alter von siebzig Jahren, die bereits reichhaltige Liste seiner Publikationen von medizinischem und botanischem Charakter (die in der Tat in der Geschichte der Wissenschaft als von sekundärer Bedeutung angesehen werden), mit einem Buche, in dem die Milch, eben dank seiner vierförmigen und gegliederten Typologie, zum ersten Mal in den Zusammenhang der therapeutischen Strategien eingeordnet wird, als Ersatz für oder in Kombination mit den traditionellen Lebensmitteln. "Natürliches" Heilmittel für verschiedenartige Krankheitsleiden von größerer oder geringerer Schwere, unter anderem als Antipyretikum, Laxativum und säureverhütendes Mittel indiziert, bot die Milch – wie die Molke, die noch mehr von der medizinisch-diätetischen Literatur vernachlässigt wurde, die von ihr höchstens die kühlenden und abführenden Eigenschaften notierte – den Vorteil, praktisch ohne Kontraindikationen und unerwünschte Wirkungen zu sein. Der Patient jedoch, empfiehlt der Autor, mussteallmählich daran gewöhnt werden, sie zu verdauen, um so mehr als im größeren Teil der Fälle die vorgeschriebenen Quantitäten tatsächlich beträchtlich erscheinen, manchmal in der Höhe von einigen Litern am Tag einzunehmen für mehr oder weniger lange Zeitperioden.

Als guter Kenner des Corpus Hippocraticum zeigt Costeo, außer von den Werken des Aristoteles, Galen, Avicenna und anderen Autoren von islamischer Kultur eine gewisse Vertrautheit auch mit den medizinischen Texten der byzantinischen Welt, Zeichen der Wiederentdeckung der griechischen Kultur im lateinischen Westen. Unter gelehrten Zitaten und gelehrten Bezugnahmen entspringt daraus ein Werk von ziemlich technischer Anlage, das das Thema anpackt in kohärenter Manier aufgrund des klassischen Struktur der medizinischen Texte, in denen die pathologischen Formen nach dem Schema "vom Kopf zu den Füßen" beschrieben waren. Die extrem spezialistische Sprache und die detaillierte Beschreibung der Symptome der einzelnen Krankheiten vor allem im dritten Buch, das ausdrücklich der medizinischen Verwendung der Milch und der Molke gewidmet ist, tragen dazu bei, die Arbeit als bloße akademische übung zu kennzeichnen, Stoff vielleicht eines Lehrkurses am Lehrstuhl der theoretischen Medizin, den der Autor in jenen Jahren innehatte.

Der Arzt aus Lodi, immer nach der Gewohnheit die Verwendung der Milch für Nahrungszwecke von der mit therapeutischen Zielsetzungen unterscheidend, zeigt sich überzeugt, dass sie im allgemeinen begriffen eine der nährendsten Speisen sei, eine Charakteristik allerdings, die vom größten Teil der vorangehenden Autoren geteilt wird. übrigens richtet sich der Autor in breitem Maße nach dem Wissen der Alten, meistens ohne es zu diskutieren und vor allem ohne jemals auf eventuelle klinische überprüfungen dieser therapeutischen Verwendung anzuspielen. Ein Gepräge von Originalität jedoch scheint durch, als, ein wenig überraschend, die Kuhmilch angezeigt wird als dasjenige, was zur menschlichen Ernährung am meisten geeignet ist, eine Milch, die bis dahin von Seiten der ärzte ein Objekt spärlicher Achtung gewesen war, die die des Schafs oder der Ziege mehr begünstigt hatten. Die Bedeutung, die der Kuhmilch zuerkannt wird, ist jedenfalls ein Zeichen der Zeiten, das Resultat tiefgreifender Veränderungen, die in der italienischen Agrarwirtschaft zwischen Mittelalter und frühester Neuzeit eingetreten sind, mit einer beträchtlichen Entwicklung der Rinderzucht in den Flachlandzonen und davon herrührenden Auswirkungen auch auf die Ernährungsgewohnheiten.

Vom pharmakologischen Gesichtspunkt zeigt sich der Doktor Costeo überzeugt von der Nützlichkeit – wiederum abgesehen von der Frauenmilch – von der der Eselin, die derselbe Hippokrates reichlich gepriesen hatte. Am Ausgang des XVI. Jahrhunderts entdeckt also dieser Universitätsdozent, mehr dem Studium und der spekulativen Analyse zugeneigt als der praktischen Annäherungsweise des Arztberufs, den Gründervater der Medizin mit all seiner Leidenschaft für die Milch wieder: er arbeitet so die Idee aus, eine wahre und eigene "Milchkur" vorzuschlagen, indem er sich doch am Ende verblüfft zeigt über die konkrete Wirkung seines Studiums, das alles in allem auch "eine nutzlose übung des Eifers" bleiben könnte. Wenn das Mittelalter in gutem Maße die Bedeutung der Milch als Heilmittel vernachlässigt hatte, beschränkt sich Giovanni Costeo nicht darauf, eine kulturelle Tätigkeit auszuüben, die heute nur extravagant erscheinen kann, sondern mehr als zweitausend Jahre der Geschichte des medizinischen Denkens wieder zurückzulegen (wieder zu durchlaufen), indem er sich wieder anlehnt an die Ursprünge der Medizin, um eine traditionelle Kur auf der Grundlage der Milch als für alle übel gute therapeutische Lösung zu rechtfertigen.

Irma Naso lehrt mittelalterliche Geschichte an der Universität von Turin. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Geschichte des Gesundheitswesens und der Ernährung.

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Buchbesprechung von Prof. Dr. Dr. Eckhard Schlimme, Einbeck / Kiel

Erschienen in den Kieler Milchwirtschaftlichen Forschungsberichten 59 Jg. (2007)
Heft 2, S. 139 - 140



Lebenslauf von Ioannes Costaeus / Giovanni Costeo

Lebenslauf von Ioannes Costaeus / Giovanni Costeo

Bilderübersicht

Die älteste Darstellung des Edamer Käses (nach 1225)  Die Waage in Alkmaar/Niederlande (um 1820)

Schwengel- oder Kniehebelbutterfass in Holland (um 1866)  Handwerk: der Käser auf einem Bierkrug aus Bayern um 1900)  Stilleben mit zwei Hartkäsen (Nicolas Gillis, 17. Jahrhundert)
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